Winterdienst: Ja, wenn zumutbar

 

Wann müssen Gehwege, Gehsteige, Parkplätze eigentlich geräumt und gestreut werden? Diese Frage kann leider nicht pauschal beantwortet werden. Es gibt mehrere Wege, die zur Haftung führen können. 

 

#1) Vertragliche Schutzpflichten – nachts in der Wohnanlage

In Wien kam der Mieter - nennen wir ihn Leopold - in der Nacht von 30. November auf 1. Dezember spät nachts nach Hause. Am Weg zwischen dem öffentlichen Gehsteig und dem Hauseingang rutschte er auf einer Eisplatte aus. Beim dadurch verursachten Sturz zog er sich Verletzungen im Gesicht zu. Steht dem Verletzten Schadenersatz von den Eigentümern der Anlage zu?

 

Festgestellt wurde, dass die Gehwege zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr nicht kontrolliert wurden. Auch wurde nicht vorsorglich gestreut. So bildetet sich Glatteis auf dem Weg, auf dem Leopold ausrutschte. Nach Leopolds Ansicht war die Eisbildung vorhersehbar und deshalb hätte der Weg vorsorglich gestreut werden müssen. Sowohl der Vermieter als auch das Winterdienstunternehmen und wohl auch deren Versicherer waren anderer Meinung. Somit klagte Leopold auf Schadenersatz. Der Fall ging bis zum Österreichischen Obersten Gerichtshof (2Ob116/20b).

 

Im Sinne einer Nachtruhe kann auf Kontrollen, Räumung und Streuung zwischen 22:00 und 6:00 Uhr grundsätzlich verzichtet werden. Es kommt aber auf die jeweiligen Umstände an! Ist aufgrund der besonderen Wetterverhältnisse mit einer Glatteisbildung zu rechnen, ist ein vielbegangener Weg vorbeugend zu streuen. Wetterwarnungen wären jedenfalls zu beachten gewesen!

 

Ob es eine solche gab, konnte leider nicht beantwortet werden. Das Erstgericht hatte nämlich kein meteorologisches Gutachten angefordert. Dieses ging irrtümlich davon aus, dass in Wien der vorbeugende Einsatz von Auftaumittel generell verboten sei. Richtigerweise bezieht sich diese Wiener Verordnung nur auf öffentliche Gehwege im Sinne des § 93 STVO (siehe weiter unten). Somit landet der Fall nun wieder bei der ersten Instanz. Somit wird frühestens im 4. Jahr nach dem Unfall entschieden, ob Leopold Schadenersatz erhält ...

 

Allgemein zur vertraglichen Schutzpflicht:

 

Eine Winterdienstpflicht abseits der STVO und Wegehalterhaftung ergibt sich, wenn die Nutzung eines Weges infolge eines Vertrages erfolgt. Kommt ein Arbeitnehmer, Kunde, Mieter oder Vertragspartner zu Sturz besteht bereits bei leichter Fahrlässigkeit Haftung.

 

Eine gesetzliche zeitliche Vorgabe, wann wie oft gestreut oder geräumt werden muss, gibt es dabei nicht. Im Regelfall ist eine rund um die Uhr Betreuung aber nicht zumutbar und notwendig. Dies ist auch mit der zeitlichen Einschränkung des § 97 STVO begründbar (2Ob43/14h).  Keinesfalls kann dies im Falle von Schichtbetrieb, planmäßigen Anlieferungen oder Öffnungszeiten vor 6:00 Uhr gelten.

 

#2) Wegehalterhaftung § 1319a ABGB – Streupflicht auch am Friedhof

Alle Wege sind vom Wegehalter grundsätzlich in gefahrlosem Zustand zu halten. Wobei der Begriff Weg sehr weit zu verstehen ist. Neben Straßen sind angelegte Fußwege, aber auch faktisch benutze Wege wie Pfade als solche zu verstehen.

 

Die konkreten Räum- und Streupflichten hängen von Lage, Widmung und zu erwartender Nutzung des Weges ab. So ist ein alpiner Klettersteig wohl gar nicht zu räumen. Daneben muss nur Zumutbares geleistet werden.

 

Was zumutbar ist, liegt aber nicht im Belieben des Verpflichteten. So entschied der OGH (6Ob117/20d) unlängst gegen eine Gemeinde. Diese räumte Wege am Friedhof nur Anlassbezogen zu Weihnachten, an Feiertagen und bei Begräbnissen. Dies wurde auch mittels aufgestellter Warnschilder kund gemacht. Mehr sei einer kleinen Gemeinde personell und finanziell nicht zumutbar. Dieses Argument war dem OGH für einen derartig eingeschränkten Winterdienst zu wenig. Die Wege sind regelmäßig zu betreuen. Mittels Hinweisschilder sind diese Zeiten ersichtlich zu machen.

 

Anzumerken ist noch das Haftungsprivileg des §1319a ABGB. Haftung besteht nur infolge grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns.

 

#3) § 93 STVO Räum- und Streupflichten von öffentlichen Gehsteigen

Öffentliche Fußwege sollen auch im Winter möglichst gefahrlos benutzt werden können. Um dies zu gewährleisten werden EigentümerInnen angrenzender Liegenschaften in die Pflicht genommen. Auch Eigentümer von Verkaufshütten sind davon betroffen.

 

Diese haben für den Winterdienst von Gehsteigen und Gehwege vor ihrem Grundstück zu sorgen. Gibt es keinen Gehsteig, ist ein 1m breiter Streifen zu säubern und zu bestreuen. Bei angrenzenden Häusern sind Schneewechten und Eisbildungen zu entfernen. Die Verpflichtungen bestehen nur entlang verbauter Grundstücke im Ortsgebiet. Unbebaute Grundstücke wie auch land- und forstwirtschaftlichen genutzte Liegenschaften sind nicht betroffen. Auch Gehsteige auf der anderen Straßenseite sind nicht zu betreuen, soweit sie weiter als 3 Meter vom eigenen Grund entfernt sind.

 

In der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr gibt es weder eine Kontroll- noch Räum- oder Streupflicht.

 

Schneemassen sind grundsätzlich am eigenen Grund zu lagern. Auf der Straße darf dies nur nach Bewilligung der Behörde erfolgen!

 

Haftungsabwälzung - Winterdienst auslagern?

Die Wegehalter- als auch Anrainerpflichten können an Unternehmen haftungsbefreiend abgewälzt werden. Bei der Auswahl ist aber etwas Vorsicht angebracht, damit die Haftung im Ernstfall nicht wieder auf Sie zurückfällt. Die beauftragte Firma oder Person muss auch für die Aufgabe geeignet und organisiert sein. Eine gewisse Kontrolle der geleisteten Arbeit ist jedenfalls anzuraten.


 
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