ARGE MED-Newsletter 05/2017
Gynäkologin haftet lt. OGH-Entscheidung für Fehler eines Pathologen
Was geschah: Die klagende Patientin suchte von 2005 bis 2011 eine Gynäkologin für Kontrolluntersuchungen auf. Die Ärztin leitete die dabei gemachten Zellabstriche direkt an einen der Patientin unbekannten Pathologen zur Befundung weiter. Nachträglich stellte sich heraus, dass sich in allen Abstrichen seit 2006 bedenkliche Zellveränderungen befanden und die vom Pathologen bekanntgegebenen Begutachtungsergebnisse weitgehend unrichtig waren. Der Pathologe wies die Gynäkologin auch nicht – wie von der Österr. Gesellschaft für Zytologie empfohlen – auf die mangelnde Qualität der Abstriche hin (von den acht Präparaten war zumindest die Hälfte nur eingeschränkt beurteilbar).
Wären die Krebsvorstufen früher erkannt und behandelt worden, hätte das bei der Patientin schließlich vorliegende Karzinom mit sehr großer Wahrscheinlichkeit verhindert werden können.
Die beklagte Ärztin wandte ein, dass ihr kein Behandlungs- oder Diagnosefehler anzulasten sei, der Pathologe sei weder als ihr Erfüllungsgehilfe tätig geworden, noch hafte sie für seine unrichtigen Befunde.
Dazu der OGH:
- Anders als in jenen Fällen (zB 3 Ob 237/00z), in denen der Patient selbst an einen Arzt eines anderen Faches (etwa einen Radiologen) überwiesen wird, ist es bei der bloßen Übersendung von Gewebeproben an einen Pathologen, die vom konsultierten Arzt intern und ohne Absprache und nähere Information gegenüber dem Patienten durchgeführt wird, keineswegs eindeutig, dass der aufgesuchte Arzt nur eine eingeschränkte Leistungspflicht übernehmen will.
- Der Arzt, der ja mangels Erörterung mit der Patientin allein darüber Bescheid weiß welche Einzelmaßnahmen notwendig sind, könnte die Patientin ohne weiteres ausdrücklich darauf hinweisen, dass für die Begutachtung der Abstriche ein Auftrag der Patientin an einen Pathologen erforderlich sei, für dessen Tätigkeit der Arzt nicht einzustehen habe.
- Unterlässt der Gynäkologe hingegen jede konkrete Information der Patientin, gibt er nicht einmal den Namen des in Aussicht genommenen Pathologen bekannt und trägt er nicht dafür Sorge, dass der Patientin das Ergebnis der Tätigkeit des Pathologen übermittelt wird, kann die Patientin ohne weiteres annehmen, dass diese (unbekannten) Umstände für sie keine Bedeutung haben und der behandelnde Arzt alle erforderlichen Leistungen im Rahmen seines eigenen Pflichtenkreises erbringen wird, mag es auch naheliegen, dass dabei (intern) ein Pathologe beigezogen wird.
- Achtung: der OGH entscheidet damit (wissentlich!) anders als in 7 Ob 136/06k (dort Dermatologe/Pathologe)
Fazit: Mangels einschränkender Hinweise hat sich die Gynäkologin zur Erbringung all jener ärztlicher Leistungen verpflichtet, die erforderlich sind, um der Klägerin eine der Sachlage entsprechende Einschätzung des Krebsrisikos bekannt zu geben. Da sie dabei auch für Fehler des von ihr als Erfüllungsgehilfen beigezogenen Nebenintervenienten einzustehen hat, haftet sie für alle jene (ideellen) Nachteile der Klägerin.
Ergebnis zu Lasten der beklagten Gynäkologin:
- Schadenersatz in Höhe von EUR 35.000,- + Haftung für sämtliche zukünftigen Folgen aus der unterlassenen rechtzeitigen Behandlung,
- zusätzlich weitere EUR 43.000,- Verfahrenskosten (davon EUR 8000.- an den Pathologen, der ab dem Berufungsverfahren als Nebenintervenient auf Seiten der Patientin einschritt!)
Etwaige Ansprüche gegen den Pathologen wird die Gynäkologin in einem Regressverfahren geltend machen müssen.
LINK: Die Presse am 11.05.2017
|