"Helikoptergeld" – Die ultimative Waffe der EZB für mehr Wachstum?
Die Idee wirkt bestechend simpel: Um die Wirtschaft anzukurbeln verschenken die Notenbanken Geld, zum Beispiel an die Bürger. Die Verbraucher konsumieren dann mehr und schieben so Konjunktur und Inflation an. Doch ganz so einfach ist es nicht. Seit Jahren versuchen führende Notenbanken mit einer Billiggeldflut die Wirtschaft anzukurbeln. Zuletzt weitete die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Kampf gegen schwache Konjunktur und Mini-Inflation massiv aus. Der Erfolg der Maßnahmen hält sich bisher in Grenzen. Nun denken manche Ökonomen laut über die radikalste Maßnahme nach: Das direkte Verschenken von Geld an Bürger, Staaten oder Unternehmen - in Fachkreisen "Helikoptergeld" genannt. Dies wäre die ultimative und auch umstrittenste Waffe in Händen der EZB.
Was versteht man unter "Helikoptergeld"?
Die Idee ist denkbar einfach: Man muss nur im großen Stil Geld unter der Bevölkerung verteilen, schon kommt die Wirtschaft durch den Geldregen in Schwung und die Inflation zieht an. Was zunächst wie ein Scherz klingt, wird aktuell in Finanzkreisen ernsthaft diskutiert.
Hat es so etwas schon mal von einer Notenbank gegeben?
Nein, das reine Verschenken von Geld wurde von führenden Notenbanken noch nicht in die Tat umgesetzt. Während der Finanzkrise 2008 verteilte die US-Regierung zwar Steuergutschriften an Privathaushalte. Allerdings gibt es einen Unterschied zum "Helikoptergeld": Die US-Notenbank verschenkte in der Krise kein Geld, sondern sicherte ihre Geldschwemme über den Kauf von Wertpapieren ab. Ähnlich geht zurzeit die EZB vor. Werden einmal gekaufte Wertpapiere wieder verkauft oder fällig, fließt das Geld zurück zur Notenbank. Dies wäre bei "Helikoptergeld" nicht der Fall.
Wie wird in der EZB-Führung über die Idee gedacht?
Notenbankchef Mario Draghi versicherte zwar, dass innerhalb des EZB-Rates nicht ernsthaft über die Idee des "Helikoptergeldes" gesprochen wurde. Auf der Pressekonferenz nach der jüngsten Zinsentscheidung der Notenbank hatte er aber auf die Frage eines Journalisten die Idee nicht rundweg abgelehnt, sondern als "ein sehr interessantes Konzept" bezeichnet. Etwas konkreter wurde EZB-Chefvolkswirt Peter Praet. In einem Interview mit der Zeitung "La Repubblica" stellte der Vordenker der EZB klar, dass theoretisch alle Notenbanken dieses "extreme Instrument" einsetzen könnten. Es stelle sich nur die Frage, ob und wann der Einsatz Sinn mache.
Wie wäre das in der Praxis umsetzbar?
So einfach das Konzept in der Theorie wirkt, so schwierig wäre die Umsetzung. Zunächst einmal hat die EZB nicht die Kontonummern der etwa 337 Millionen Bürgern der Eurozone, um das Geld zu überweisen. Allein an der Zahl der Konten zeigt sich die bürokratische Herkules-Aufgabe, die mit einer solchen Maßnahme verbunden wäre. Schwierig wird es auch aus bilanztechnischen Gründen. Bisher gilt das Prinzip: Frisches EZB-Geld gibt es nur gegen Sicherheiten als Gegenleistung. Wenn die EZB das Geld aber einfach verschenken würde, dann stellt sich die Frage: Wie soll das verbucht werden? Nach Einschätzung von Commerzbank-Experte Michael Schubert wäre das Auszahlen von "Helikoptergeld" unter dem Strich nur indirekt über die Euroländer denkbar. "De facto würde die EZB den Euroländern also eine Art Kredit gewähren", erklärt Schubert.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Idee des "Helikoptergeldes" in die Tat umgesetzt wird?
Das ist eher unwahrscheinlich. Auch wenn immer mehr Experten warnen, dass die Möglichkeiten der EZB im Kampf gegen die niedrige Inflation ausgeschöpft seien, sieht sich die Notenbank selbst noch lange nicht am Ende ihrer Möglichkeiten. Sollten am Konjunkturhimmel wieder düstere Wolken aufziehen und große Eurostaaten wie Frankreich oder Italien stärker unter Druck geraten, dann verfüge die EZB immer noch über genügend Munition, versicherte jüngst EZB-Chefvolkswirt Praet in einem Interview. Ganz ähnlich äußerte sich zuletzt auch EZB-Direktor Benoit Coeure.
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