OGH aktuell: Arbeitsunfall oder Freizeitvergnügen?

 

Unser Leitartikel über die freiwillige Höherversicherungen beim Sozialversicherer zeigt, dass die gesetzliche Unfallversicherung neben guten Leistungen auch so ihre Lücken hat.

 

Insbesondere gilt es zwischen Freizeit- oder Arbeitsunfall, zwischen „privater“ und Berufskrankheit zu unterscheiden. Alles oder Nichts lautet hier die Devise der gesetzlichen Unfallversicherung. Wer einen Freizeitunfall erleidet, oder aus anderen „privaten“ Gründen seine Erwerbsfähigkeit verliert, ist auf private Vorsorge angewiesen!
 

Wir haben zwei Fälle, bei denen die Entscheidung, ob es sich um einen Arbeits- oder Freizeitunfall handelt, vom OGH getroffen werden musste. Wie die Beispiele zeigen, ist die Unterscheidung nicht immer leicht ...

 

⇒ #1: Klettertour zur Geschäftsanbahnung

Der Mehrheitsgesellschafter und gewerberechtliche Geschäftsführer Paul (alle Namen sind natürlich frei erfunden) der Veranstaltungs-Max GMBH verletzt sich 2018 bei einem Bergunfall schwer. Die Firma betreibt eine Onlineplattform, auf der Sportveranstaltungen wie Klettern, Bogenschießen, Rafting angeboten werden. Zur Besprechung eines ins Auge gefassten Franchisevertrages und Besichtigung einer am Gipfelplateau gelegenen Flugschule plante Paul mit seinem langjährigen Freund und Kletterpartner Kurt eine Klettertour. Sie wollten eine Kletterroute des Schwierigkeitsgrades 6 durchsteigen, um dabei über die zukünftige Geschäftsverbindung zu sprechen.

 

Soweit kam es leider nicht. Kurz vor dem Einstieg in die Kletterroute rutschte Paul aus und stürzte ca. 10-15m einen steilen felsigen Abhang hinab. Dabei zog er sich schwere Verletzungen zu.

 

Was würden Sie sagen? Arbeits- oder Freizeitunfall?

 

Paul ging davon aus, dass er Anspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung habe. Immerhin war dies ein Geschäftstreffen und kein Urlaubstreffen. Aber sowohl bei der Behörde als auch danach vor Gericht fand er für seine Ansicht kein Gehör. Zuletzt entschied der Oberste Gerichtshof mit Beschluss, dass Pauls außerordentliche Revision unzulässig sei. Es waren keine Umstände gegeben die Felsklettern notwendig gemacht haben. Vielmehr war das betriebliche Interesse an der Absolvierung einer Klettertour mit einem langjährigen Freund so in den Hintergrund getreten, dass es nur mehr als Nebenzweck respektive „Gelegenheitsursache“ anzusehen war. Es fehlte somit am objektiven betrieblichen Zusammenhang, um von einem Arbeitsunfall sprechen zu können.

 

Paul steht keine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu.

 

Auszug aus der Begründung
Gerade in Fällen, in denen eine klare Scheidung von versicherten Tätigkeiten und privaten Handlungen von Menschen, die auch geschäftliche Beziehungen unterhalten, schwierig ist, reicht allein die „betriebliche Absicht“ (hier: geschäftliche Gespräche zu führen) für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes nicht aus, sondern es bedarf auch der Objektivierung des betrieblichen Zusammenhangs (10 ObS 131/00p SSV-NF 14/63). Die Ansicht des Berufungsgerichts, es fehle – wenngleich der Kläger subjektiv der Meinung war, eine betriebliche Tätigkeit zu entfalten – der erforderliche objektive betriebliche Zusammenhang, weil aus Sicht eines Außenstehenden das Felsklettern nicht als Ausübung der Erwerbstätigkeit des Klägers anzusehen sei, überschreitet nicht den den Gerichten eingeräumten Ermessensspielraum.

Geschäftszahl 10ObS17/20b

 

 

⇒ #2: Restaurantbesuch auf Dienstreise

Als Mietwagenfahrer holt Giovanni im Oktober 2017 einen Mietwagen ab, reinigt selbigen und übergibt ihn seiner Kundin in einem Mailänder Hotel. Für die Rückreise wollte er mit dem Zug nach Wien zurückkehren. Um 14:00 Uhr erfuhr er am Bahnhof, dass der nächste Zug erst um 19:00 Uhr direkt nach Wien fahre. Mehrmals umsteigen wollte Giovanni nicht und er beschloss, auf die direkte Verbindung zu warten. Da ihm das Essen am Bahnhof nicht wirklich zusagte, beschloss er das Lokal seines Freundes in Mailand aufzusuchen. Leider wurde er am Weg dorthin von einem Auto erfasst und verletzt.

 

Was denken Sie? Arbeits- oder Freizeitunfall?

 

Auch in diesem Fall wurde das Vorliegen eines Arbeitsunfalles verneint. Zuletzt stellte der Oberste Gerichtshof mit Beschluss fest, dass der Weg zum Lokal zum privaten Leben und somit unversicherten Lebensbereich gehörte. Grundsätzlich sei die Nahrungsaufnahme auch auf Dienstreisen eine zumindest überwiegend private Tätigkeit. Nur bei außergewöhnlichen betrieblich bedingten Umständen wie Zeitdruck, kann auch die Nahrungsaufnahme unter Versicherungsschutz fallen. Dies war im Falle Giovannis jedoch nicht gegeben. Seine außerordentliche Revision wurde zurückgewiesen.

 

Auszug aus der Begründung
Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung beachtet. Der Revisionswerber hält seiner Rechtsansicht entgegen, dass der Unfall sich nicht bei der Nahrungsaufnahme, sondern am Weg zum Restaurant ereignet habe. Aufgrund der besonderen Umstände bestehe Versicherungsschutz: Er sei – was festgestellt werden hätte müssen – auf Dienstreise und nicht ortskundig gewesen. Er habe – was ebenfalls festgestellt werden hätte müssen – die italienische Sprache nicht gesprochen und müsse Diät halten.
Das Berufungsgericht ist ohnehin vom Vorliegen einer Dienstreise ausgegangen und hat darauf hingewiesen, dass die eigentliche betriebliche Tätigkeit des Klägers auf dieser – die Überstellung eines Dienstwagens – bereits abgeschlossen war und der Kläger nicht unverzüglich heimkehrte, weil er einen direkten Zug nach Wien nehmen wollte. Auch im weitesten Sinn diente der Weg des Klägers zu dem ihm empfohlenen Restaurant daher nicht mehr den eigentlichen Zwecken der Dienstreise. Darüber hinaus war der Unfall des Klägers nicht auf ortsbedingte und nicht alltägliche atypische Gefahren (zB extrem vernachlässigte Sanitärräume oder frisch gewachste oder defekte Treppen in einem Hotel) zurückzuführen, die sich von der auch sonst gegebenen Alltagsgefahr privater Verrichtungen an selbst gewählten Orten deutlich abheben würden (R. Müller in SV-Komm [222. Lfg] § 175 ASVG Rz 56). Insbesondere stand der Kläger nicht unter einem (besonderen, betrieblich bedingten) Zeitdruck. Auch die behauptete fehlende Ortskenntnis, die fehlende Kenntnis der italienischen Sprache und die Notwendigkeit der Einhaltung einer Diät stellen keine betrieblichen Umstände dar, die eine wesentliche Bedingung für die Essenseinnahme gewesen wären. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass für den vom Kläger erlittenen Unfall kein Versicherungsschutz besteht, ist vor diesem konkreten Hintergrund nicht korrekturbedürftig.

Geschäftszahl: 10ObS75/20g

 

 

Fazit

Diese wichtige Abgrenzung zwischen Freizeit und Arbeit beschäftigt regelmäßig, nach einem negativen Bescheid der Behörden, unsere Gerichte. Auch dieses Jahr war die Frage Freizeit- oder Arbeitsunfall Thema beim Obersten Gerichtshof und so manche Entscheidung ließ am Ende die Versehrten ohne Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Den Betroffenen hätte nur eine private Vorsorge weiterhelfen können.

 

Melden Sie sich bei uns, wir beraten Sie gerne, wie Sie sich auch für Freizeitunfälle am Besten absichern können!

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