Der „Brexit“ und seine Folgen
Der 23.06.2016 war ein Schicksalstag für Großbritannien und die EU. Nach dem Beschluss des Austritts haben sowohl Schottland als auch beide Irländer erklärt, dass Sie gerne bei der europäischen Union bleiben würden, d.h. damit hat Großbritannien ein innerpolitisches Problem.
Das hat sich auch in den Tagen nach der Abstimmung gezeigt, wobei die Schwankungen an den Börsen sich im Großen und Ganzen in Grenzen gehalten haben.
Aber wie wird es nun weitergehen?
Wie waren die Prognosen vor der Abstimmung:
Was passiert, wenn die Mehrheit der Briten tatsächlich für den "Brexit", den Abschied von der EU, stimmt?
Als Erstes müsste die britische Regierung den Austrittswunsch offiziell kundtun. Ab dann tickt die Uhr. Es blieben nämlich nur zwei Jahre Zeit, um einen neuen Vertragsstatus zu verhandeln. Nicht sehr realistisch, sagt Florian Klimscha, Finanzrechtsexperte der Anwaltskanzlei Freshfields in Wien: "Wenn man vergleicht, wie lange Verhandlungen alleine für Freihandelsabkommen dauern, so ist es bei der Menge der Fragen, die sich stellen, beinahe aussichtslos, das in zwei Jahren zu verhandeln."
Was, wenn die zwei Jahre ergebnislos verstreichen?
Während dieser Frist würde sich zunächst nichts ändern, die Briten blieben ein vollwertiges EU-Mitglied. Schafft man es jedoch nicht, sich zu einigen (oder zumindest die Frist zu verlängern), würde der Extremfall eintreten: Großbritannien fiele gegenüber der EU auf den Status eines x-beliebigen Drittlandes, es würden nur die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gelten. Den Briten ginge es ähnlich wie den USA – ohne Handelsabkommen TTIP. Einigen EU-Gegnern wäre das nur recht.
Wie würden die Verhandlungen ablaufen?
Die Briten wickeln ungefähr die Hälfte ihres Handels mit der EU ab. Somit ist klar, dass beide Seiten großes Interesse an einer Einigung hätten, sagt Klimscha. Allerdings müssten die EU-Staaten mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Da könnte es Länder geben, die sich strikt gegen Sonderrechte aussprechen, wendet Stephan Denk, Freshfields-Experte für öffentliches Wirtschaftsrecht, ein: "Allein aus disziplinierenden Gründen: Die EU will schließlich keine attraktive Austrittsoption schaffen."
Gibt es Vorbilder für die neue Rolle der Briten?
Die EU werde kein zweites Schweizer Modell wollen, sagt Denk: Dort sorgt eine Vielzahl bilateraler Verträge für ein schwer zu durchdringendes Regelungsgeflecht. Wahrscheinlicher sei das norwegische Modell: Die Briten hätten weitgehend unveränderten Zugang zum EU-Binnenmarkt. Sie könnten aber weniger mitbestimmen und müssten weiterhin große Teile des EU-Rechts mittragen. Beiträge zum EU-Budget würden ebenfalls fällig, wenn auch in kleinerem Maßstab.
Wäre London als größter Finanzplatz bedroht?
Schlimmstenfalls könnte eine Bank, die ihre Lizenz im Vereinigten Königreich hat und europaweit aktiv ist, nach dem Wegfall von Kapitalverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit nicht mehr in der EU tätig sein. "Da müsste man Lösungen finden", sagt Klimscha. Aus London werde aber sehr viel internationales Geschäft gemacht, das über die EU hinausreicht. Ein "Brexit" hätte wohl Einfluss, die Investitionen würden leiden. Die Dimension sei aber schwer abzuschätzen.
Welche Fragen könnte ein "Brexit" noch aufwerfen?
Die Unsicherheit wäre riesengroß. "Es gibt viele offene Punkte", betont Florian Klimscha. Das betreffe Fragen wie: Was ist die Folge für hochregulierte Industrien wie Telekom oder Energie? Oder im Alltag: Wie sieht es künftig mit Online-Bestellungen aus UK aus? Wer in der Schweiz bei Amazon bestellt, kennt das: er muss die Zollbestimmungen berücksichtigen. Was wären die Auswirkungen im Dienstleistungssektor, etwa für die vielen Handwerker aus Polen, die in Großbritannien tätig sind? Was aus öffentlichen Aufträgen würde, wäre ebenfalls unklar: "Könnte es da zu einer Marktabschottung kommen, dürften also UK- oder EU-Unternehmen aus Vergabeverfahren ausgeschlossen werden?", fragt sich Stephan Denk. Wäre das Vereinigte Königreich aus EU-Sicht noch ein sicherer Datenaufbewahrungsort? Wie stünde es um die Durchsetzung von Gerichtsurteilen? Wie um EU-Patente? Fragen über Fragen.
Wie können sich Unternehmen darauf vorbereiten?
Viele Firmen haben eigene "Brexit Groups", um Risiken abzuwägen. Gleich am 24. Juni dürfte nicht viel passieren. Die Währungskurse könnten schwanken, eine akute Bedrohung gebe es aber in den seltensten Fällen. Und um den Plan B zu entwerfen, sei es zu früh. Klimscha: "Dazu müsste zumindest klar sein, über welches Vertragsmodell eigentlich verhandelt wird."
(Quelle: kurier.at vom 28.04.2016)
Am 27. Juni 2016 schrieb eines der führendsten Investmenthäuser (Fidelity International) folgenden Kommentar:
>> Fidelity Marktkommentar: Briten treten aus der EU aus
Am 30. Juni 2016 hat Dr. Wolfgang Schiketanz (Gründer der Schiketanz Capital Advisors GmbH) die Auswirkungen auf die Finanzmärkte wie folgt interpretiert:
>> SCA Schiketanz Marktkommentar
Aber wie es genau ausgeht – wer weiß: „Keiner von uns hat die Glaskugel und hinterher ist man immer schlauer!“
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