Tricks beim Sachverhalt - OGH bleibt streng

 

Wer Leistung aus einem Versicherungsvertrag möchte, muss an der Schadensfeststellung aktiv mitarbeiten. Wer versucht, durch schummeln schneller oder unkomplizierter eine Leistung zu erhalten, kann seinen Versicherungsschutz verlieren. Diese Strategie ist aber nicht ratsam.

Aufenthaltsort für Leistungspflicht bedeutsam

Zuletzt landete ein Kaskoschaden beim OGH 7Ob13/22w (RIS Dokument). Der Lenker verursachte um ca. 3 Uhr nachts einen Unfall und beschädigte das versicherte Fahrzeug erheblich. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 19.240,20 €. Das Versicherungsunternehmen wollte - auch in Hinblick auf die späte Stunde des Unfalls - Angaben zum Verlauf des Abends bis zum Unfall.

 

Der Lenker gab an, die Zeit mit einer Freundin verbracht zu haben. Die Zulassungsbesitzerin intervenierte, in Kenntnis der Unwahrheit, ebenfalls bei der Freundin und versuchte, diese zu bewegen, die Aussage des Lenkers zu bestätigen. Somit versuchte auch die Versicherungsnehmerin, um zumindest Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, das Versicherungsunternehmen zu täuschen. Alle Beteiligten versuchten vom wahren Sachverhalt abzulenken.  

 

Eine der zentralen Obliegenheiten nach Eintritt eines Schadensfalles ist es nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen.

Was versteht man unter Obliegenheiten?

Eine Obliegenheit ist eine vertragliche Verpflichtung, die man mit dem Versicherer eingeht, deren Einhaltung allerdings nicht erzwungen oder eingeklagt werden kann. Sprich, niemand kann vor Gericht gezwungen werden, bei der Feststellung der Leistungspflicht des Versicherers mitzuwirken, es entstehen aber Rechtsnachteile. Folglich kann die Missachtung einer Obliegenheit zur Kürzung oder sogar zum Entfall der Versicherungsleistung führen.

 

Gerichtlich durchsetzbar sind Rechtspflichten wie die Prämienzahlung oder auch die Schadensregulierung des Versicherungsunternehmens.

 

Vorsätzlich dagegen zu verstoßen, um schneller und problemloser die Versicherungsleistung zu erhalten oder den Versicherer in die Irre zu führen, lässt die Leistungspflicht des Versicherungsunternehmen entfallen (§6 Abs 3 VersVG). Die Judikatur nennt dies dolus coloratus.

 

Im geschilderten Fall hatte, laut Berufungsgericht, das Versicherungsunternehmen berechtigtes Interesse, zu wissen, was der Lenker in der Nacht vor dem Unfall gemacht hat. Die Falschaussage und der Versuch, die Freundin mit ins Boot zu holen, wurde als Versuche der Irreführung beurteilt. Somit liegt dolus coloratus vor und weder die Fahrzeugeigentümerin noch der Lenker erhalten eine Versicherungsleistung.

 

Aus gutem Grund wurde der wahre Sachverhalt nicht ermittelt. Es wäre natürlich möglich, dass die Vorgeschichte in Wahrheit völlig unproblematisch war. Dies ist aber völlig egal. Wenn mit dolus coloratus gehandelt wurde entfällt die Leistungspflicht JEDENFALLS. Was wirklich geschah ist unerheblich!

 

 

 

 
 

 

 

dolus coloratus - Begriffserklärung

Rechtssatz RS0109766

Nur der Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sog. "dolus coloratus"), verwirkt den Anspruch. Nicht erforderlich ist, dass der Versicherungsnehmer geradezu und ausschließlich mit dem Ziel handelt, den Versicherer zu täuschen (Betrugsabsicht); es genügt, wenn er erkennt, dass die von ihm dargelegten oder unvollständig angegebenen Umstände, die für die Beurteilung der Leistungspflicht des Versicherers maßgeblich sind, letztere beeinträchtigen oder fehlleiten können und er sich damit abfindet. Täuschung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer einen Vermögensvorteil anstrebt, aber auch, wenn er durch die Angaben unrichtiger Tatsachen einen für berechtigt gehaltenen Anspruch durchsetzen oder einfach "Schwierigkeiten" bei der Schadensfeststellung verhindern will.

 

 


 
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