ARGE MED-Newsletter 07/2020
Aktueller Haftungsfall aus der Praxis
Der OGH urteilte zu den Folgen der unterlassenen Dokumentation der Erstuntersuchung und zeigt einmal mehr, wie wichtig Sonderbedingungen zur Arzthaftpflichtversicherung sind.
In 4Ob28/20a ging es um einen Fall, in dem ein Patient am Nachmittag auf einer Baustelle kollabierte. Im beklagten Spital wurde er mit Verdacht auf Sonnenstich mit Schmerzmitteln und Infusionen behandelt und entlassen. Nach Verschlechterung (Kopfschmerzen, Erbrechen) suchte er das Spital um 01:50 des nächsten Tages wieder auf, um 04:28 wurde Verwirrtheit, Sprachstörung und Facialisparese wahrgenommen, ein CT veranlasst und dabei ein Schlaganfall festgestellt.
Lege artis wäre bereits um 01:50 eine normale klinische Aufnahmeuntersuchung und eine grob neurologische Untersuchung vorzunehmen gewesen. Ohne entsprechende Dokumentation kann nicht festgestellt werden, ob sie stattfanden. Es kann auch nicht festgestellt werden, wann der Schlaganfall eintrat oder ob er bei einer früheren Untersuchung (etwa bei Aufnahme) erkennbar gewesen wäre.
Bei Erkennen des Schlaganfalls wäre eine Thrombolyse angezeigt gewesen. Ob diese Behandlung – unabhängig vom Zeitpunkt – ein besseres Ergebnis für den Patienten herbeigeführt hätte, kann nicht festgestellt werden, doch verbessert eine Lysetherapie die statistischen Chancen auf ein Überleben mit gutem neurologischen Erfolg.
Rechtsprechung:
- Die unterlassene Dokumentation einer Maßnahme begründet die Vermutung, dass diese vom Arzt auch nicht getroffen wurde.
Hier: Aufnahmeuntersuchung und grob neurologische Untersuchung
>>> Behandlungsfehler, da eine gebotene Untersuchung nicht durchgeführt wurde
- Für den dem Kläger obliegenden Beweis der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden genügt der Nachweis, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts durch den Fehler der Ärzte nicht bloß unwesentlich erhöht wurde.
- Dies gilt auch dann, wenn dem Patienten eine Maßnahme vorenthalten wird, die dem in Fachkreisen anerkannten Standard der besten Versorgung entspricht.
- Dem Beklagten obliegt in diesen Fällen der volle Beweis, dass im konkreten Behandlungsfall das Fehlverhalten mit größter Wahrscheinlichkeit für den Schaden unwesentlich geblieben ist.
>>> Schon allein, dass nicht festgestellt werden kann, ob eine Lysebehandlung im konkreten Fall ein besseres Ergebnis herbeigeführt hätte, geht zu Lasten des Beklagten.
Da gerade hinsichtlich Dokumentation in den verschiedenen Bedingungen zur Arzt-Haftpflichtversicherung erhebliche Qualitätsunterschiede bestehen, sollte die Beratung zu den ärztlichen Berufsabsicherungen immer durch einen auf Ihre Berufsgruppe spezialisierten Versicherungsmakler erfolgen.
Weitere Informationen:
Das Urteil im vollen Wortlaut
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